Das alte Goldland Srivijaya

Aus der Reihe „Länder, Menschen, Abenteuer“ 

11.03.2005
SWR
arte
Dokumentation 45 Min. und 53 Min.

Im Auftrag von SWR und ARTE, produziert von Fechner MEDIA

 

 


Presse Resonanz

Die Welt vom 26.06.2006

 

Zweiter Untergang der „Cirebon“

Rund 1000 Jahre lag das Wrack der „Cirebon“ auf dem Grund der Javasee. Bis es vergangenes Jahr geborgen wurde. Die Objekte an Bord könnten belegen, daß die ersten moslemischen Einflüsse die Region schon rund 300 Jahre früher erreichten. Durch Geldgier sind nun Teile des Jahrhundertfunds zerstört worden.

Von Tamara Spitzing

Das Schiff, das um 970 n. Chr. zu seiner letzten Fahrt aufbrach, war größer als die Karavellen des Columbus. Der 35 Meter lange Segler muß tief im Wasser gelegen haben. Denn er verließ den Umschlaghafen auf Sumatra schwer beladen mit Schätzen aus aller Herren Länder: Tonnen feinster chinesischer Keramik, indischen Juwelen, afghanischem Lapislazuli und persischem Glas. Mindestens 150 Menschen waren an Bord, Passagiere und Besatzung. Ein buntgemischtes Volk: Händler, Dirnen, buddhistische Pilger. Allein die schwere Fracht bedeutete schon ein Risiko. Außerdem hatte das Schiff bereits bessere Tage gesehen:

„Es war zwar stabil gebaut aus tropischem Hartholz – aber zum Zeitpunkt der Havarie schon ziemlich alt. Das konnten wir daran sehen, daß man versucht hat, die Konstruktion am Bug zu verstärken!“ sagt der Malaiologe Horst Liebner, der Holzproben untersucht hat. Möglicherweise war das einer der Gründe, warum das Schiff sein Ziel nie erreichte. Es versank mitten in der Javasee. In Anlehnung an den nächstgelegenen Ort tauften die Entdecker das Wrack „Cirebon“.

Seine kostbare Fracht ruhte 1000 Jahre lang unberührt auf dem Meeresgrund. Eine Zeitkapsel, die das gesamte Spektrum der Handelsgüter des frühen Mittelalters in Südostasien umschloß – ein Beweis für den direkten Warenaustausch zwischen Arabien und China. Und mehr noch: Im Bauch des Schiffes stießen Taucher auf eine Sensation: Funde, welche die Ankunft des Islam im malaiischen Archipel um mehrere Jahrhunderte vordatieren. Und damit die Geschichte umschreiben könnten.

Doch die Ladung der „Cirebon“ stellt nicht nur wissenschaftlich einen Jahrhundertfund dar, sie ist auch unermeßlich wertvoll. 40 Millionen Dollar, so glauben Experten, könnte sie bei einer Versteigerung einbringen.

Die zweite Tragödie der „Cirebon“ begann unmittelbar nach ihrer Bergung: Ein gnadenloser Kampf um ihre kostbare Fracht.

Kaum waren alle Funde geborgen und fachkundig entsalzt, wurden sie von der Polizei beschlagnahmt. Das war Ende Januar. Ein französischer und ein deutscher Taucher wurden sogar verhaftet und ohne Verfahren 36 Tage lang inhaftiert. Erst auf massiven diplomatischen Druck wurden sie, zunächst auf Kaution, freigelassen. Eine Konkurrenzfirma hatte – vermutlich mit erheblichen Bestechungssummen – Ermittlungen wegen „illegaler Bergung“ gegen die belgisch-indonesische Kampagne erwirkt. Und das, obwohl insgesamt elf Lizenzen des zuständigen Fischereiministeriums vorlagen.

Nachdem Monate lang kein einziger Beweis für die Anschuldigung gefunden werden konnte, machte sich die Polizei daran, die beschlagnahmten Container wieder auszupacken. Dürfen die Experten nun bald weiterarbeiten? Horst Liebner hofft es.

Viele wissenschaftliche Daten sind durch die unsachgemäße Lagerung bereits verloren. Als die Kisten mit Holz – und Knochenproben geöffnet wurden, war der Wissenschaftler sprachlos vor Entsetzen: „Die Proben hatten wir in Beuteln mit klarem Wasser fachgerecht abgepackt! Jetzt schwammen sie in einer braunen Brühe, auf den Holzteilen hatten sich Pilze ausgebreitet, auf den Knochenfunden Bakterien. Mindestens 20 Prozent der organischen Materialien sind zerstört“, klagt er. Zum Glück hatte das Team schon über Monate mit den Funden gearbeitet und erste Ergebnisse erzielt. Sie sind sensationell:

Losgefahren ist der Segler vermutlich in Palembang auf Südsumatra, damals die Hauptstadt des mächtigen Seereiches von Srivijaya. „Erstaunlich ist“, sagt Liebner „daß der Segler vor seiner letzten Fahrt mit Sicherheit in China gewesen ist. Die hatten drei chinesische Anker von 800 Kilo an Bord – allein um einen davon hochzuhieven, brauchte man 15 Mann.“ Außerdem war der untere Bereich des Schiffsbauchs gefüllt mit sorgfältig gestapelter chinesischer Keramik. Die Ladung des Frachters war offenbar sehr effizient durchgeplant worden. Auf das Porzellan schichtete man im Umschlaghafen die Güter, die hier von anderen Seehäfen oder über die Seidenstraße zusammengekommen waren. Jedem Warenkontingent war ein bestimmter Platz zugewiesen – und jedes wurde vom zugehörigen Händler begleitet. Gold und Juwelen waren dabei sorgfältig in einem Hohlraum im Bug versteckt worden – auch damals wurde bereits gern geschmuggelt.

Unterwegs war das Handelschiff vermutlich nach Yogyakarta.

Besonders interessant sind einige der kleinen Objekte. Sie lassen darauf schließen, daß es an Bord multikulturell zuging. Ritualgegenstände verschiedenster Religionen wurden geborgen. Beispielsweise buddhistische Glöckchen. Sie gehörten wohl chinesischen Pilgern auf der Fahrt zu den Klöstern von Borobudur. Eine lange und beschwerliche Reise, denn die Schiffe waren auf die Winde angewiesen. Von Mai bis Oktober ging es mit dem Westmonsun Richtung Indien, von November bis April mit dem Ostmonsun nach China. Die Pilger mußten Monate lang ausharren, bis sie wieder in die Heimat zurückkehren konnten. Eine Sensation sind frühe islamische Inschriften von der „Cirebon“. Es war ein eher unscheinbarer Fund, der Horst Liebner am meisten elektrisierte: „Wir haben eine kleine Metallgußform entdeckt. Damit kann man Plättchen herstellen, die mit drei der 99 arabischen Titel für „Allah“ beschriftet sind.“ Mit einer solchen Form läßt sich eine Massenproduktion von Amuletten betreiben. „So etwas hat man nicht einfach so bei sich!“ sagt Liebner. „Solche Amulette waren dazu da, um sie zu verteilen. Es ist aber nicht sinnvoll, islamische Güter in eine hinduistisch-buddhistische Gesellschaft zu exportieren, die würde kein Mensch kaufen. Nein, da wollte jemand ganz gezielt eine Idee verbreiten – man könnte vielleicht von einer ersten Missionstätigkeit sprechen!“ Die Gußform ist nicht das einzige frühislamische Objekt an Bord, es wurden auch Rosenkranzperlen und ein Spiegel mit arabischen Schriftzeichen gefunden.

Die Funde vermitteln vollkommen neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Denn als erster Beleg für den Islam im heutigen Indonesien galt bisher der Grabstein eines Sultans auf Nordsumatra aus dem Jahr 1211. Der Untergang der „Cirebon“ läßt sich auf einen Zeitraum um 970 festlegen. Das bedeutet, daß der Fund die ersten moslemischen Einflüsse im volkreichsten islamischen Staat der Erde um rund 250 Jahre vordatiert!

Die Objekte an Bord schreiben aber nicht nur die Weltgeschichte. Sie erzählen auch über die Menschen, die damals zu ihrer letzten Reise aufbrachen. Reichverzierte Dolche beweisen, daß sich hochgestellte Persönlichkeiten eingeschifft hatten. Schmuckstücke und Haarnadeln zeigen, daß auch Frauen mit an Bord waren – wohl die Gespielinnen der Kaufleute. Mönche und Huren, Buddhisten und Moslems, Reich und Arm – ganz ohne Spannungen ging das nicht ab.

„Wir haben viele Messer gefunden. Und auch Wetzsteine – die waren alle ziemlich ausgiebig benutzt worden!“ sagt Horst Liebner. „Wer so eine Reise machte, der mußte sich auch zu verteidigen wissen!“

Verteidigen will sich auch das Team – gegen Konkurrenten, die in dem einzigartigen Fund nur einen „Schatz“ sehen, den es möglichst gewinnbringend zu verkaufen gilt.

Die „Cirebon“ ist das einzige bekannte Schiff aus dem 10. Jahrhundert in Indonesien. Die ersten Ergebnisse der Untersuchung lassen noch mehr Sensationen erwarten. Doch solange der sogenannte Fall nicht abgeschlossen ist, können die Experten nicht weiterarbeiten. Die beiden Taucher müssen sich als „Verdächtige“ einmal pro Woche bei der Polizei melden. Das Drama um die „Cirebon“ wirft ein erschreckendes Licht auf die Zustände im Bereich der Unterwasserarchäologie. Viele Länder betrachten Wrackbergungen immer noch als Geschäft, unzählige Schiffsladungen verschwinden in den Kanälen des internationalen Kunsthandels. Mittlerweile hat der Fall auch in Indonesien Schlagzeilen gemacht. Die Experten haben die Hoffnung nicht aufgegeben, ihre Arbeit bald fortsetzen zu können. Damit die letzte Fahrt der „Cirebon“ doch noch ihren Platz in den Geschichtsbüchern findet.

Tamara Spitzing ist Filmemacherin und Archäologin.

Sie hat im Auftrag von Arte und SWR im vergangenen Jahr eine Dokumentation über den Fund gedreht. Kurz darauf wurde er beschlagnahmt.

 

Badische Zeitung vom 11.03.06

Verlockung der Tiefe

Ein Filmteam unterwegs mit einem Wracktaucher in Indonesien / Von Tamara Spitzing

Wracktauchen ist gefährlich, denn es geht um viel Geld. Links eine Goldtasse aus Fernost aus dem 10. …mehrS chon die schiere Menge der Funde ist überwältigend. Es sind mehr als 200 000 Teile: Porzellan, Glas, eiserne Lanzenspitzen, bronzene Figürchen. All das ruhte über 1000 Jahre in einem Schiffswrack auf dem Grund der Javasee — und stapelt sich jetzt mitten in Indonesiens Hauptstadt Jakarta in einer Lagerhalle.

An langen Tischen werden die Objekte sorgfältig registriert, fotografiert und gezeichnet. Wir zwängen uns mit dem deutschen Taucher Fred Dobberphul, der die Bergung geleitet hat, vorsichtig durch die voll gepackten Regale. Stolz wickelt er winzige Glasfläschchen aus und zeigt uns filigrane Zeichnungen auf einem Schalenboden: “Wunderschön, oder? Das ist ein Glücksdrache, der nach einer Perle jagt!”

Der Hamburger wirkt angegriffen — ein Zusammenstoß mit einer der giftigsten Quallen der Welt, einer “Portugiesischen Galeere” (Physalia physalis), vor einer Woche ist ihm noch deutlich anzusehen. Das Wasser war sehr trüb und die Nesselfäden, die ein lähmendes Nervengift absondern, waren so gut wie unsichtbar. “Vier Tage Intensivstation. Der Arzt wollte mir das EKG erst gar nicht zeigen — sah nicht gut aus” , meint Dobberphul in seiner trockenen norddeutschen Art. Wracktauchen ist ein gefährlicher Beruf.

Die Funde hier stammen aus dem so genannten “Cirebon-Wrack” , dem größten Handelsschiff des frühen Mittelalters, das in indonesischen Gewässern je gefunden wurde. Seine Ladung vermittelt faszinierende Erkenntnisse über die weit gespannten Handelsbeziehungen schon im 10. Jahrhundert nach Christus. Denn neben chinesischer Keramik, dem Hauptbestandteil der Fracht, war es beladen mit persischem Glas und afghanischem Lapislazuli, indonesischem Zinn und indischen Götterskulpturen. In einem der großen Umschlaghäfen Südostasiens muss diese Fracht zusammengestellt worden sein. Die Waren von den Karawanen der Seidenstraße aus dem Inneren des Orients trafen zusammen mit den Schätzen, die auf dem Seeweg dorthin gelangten. Schon damals waren die Luxusgüter aus dem Fernhandel nur wenigen vorbehalten. Vermutlich war das Schiff unterwegs zu Städten, wo Könige residierten. Mitten auf offener See — so wird vermutet — brach ein Brand aus. Der mächtige Segler sank, riss Besatzung und Ladung mit sich in die Tiefe.

Das Schiff ist Ausgangspunkt eines Films im Auftrag von Arte und SWR. Wir sind auf den Spuren eines der mächtigsten Seereiche des Mittelalters, eines Imperiums, das in Europa bisher so gut wie unbekannt ist. “Srivijaya” — das Sanskrit-Wort bedeutet “Strahlender Sieg” — beherrschte vom siebten bis ins 13. Jahrhundert die Straße von Malakka, die bedeutendste Schiffspassage auf dem Seeweg zwischen Arabien und China. Ruinen und Inschriften aus der Zeit Srivijayas gibt es auch an Land. Aber zu einer Seehandelsmacht gehören Schiffe — und deswegen sind wir hier.

Fred Dobberphul nimmt eine besonders schöne Schale in die Hand: “Das ist das Wunderbare an meiner Arbeit” , erzählt der 43-Jährige begeistert. “Wir Taucher sind die ersten, die etwas berühren dürfen, das viele hundert Jahre auf dem Meeresgrund gelegen hat! Das ist wirklich ein Privileg. Auf den ersten Blick kann man in dem Schlamm oft nicht erkennen, was es überhaupt ist. Es kann jedes Mal etwas ganz Besonderes sein. Ich habe zum Beispiel eine blau-weiße chinesische Schale gefunden, die älteste, die man kennt. Davon gibt es auf der ganzen Welt bisher kein zweites Stück!”

Klingt romantisch. Überhaupt beschwört die ganze Szenerie — Tropen, Palmen, versunkene Schiffe — die Abenteuergeschichten herauf, die wir in Jugendjahren gelesen haben. Doch was der Hamburger weiter berichtet, hört sich eher nach Knochenarbeit an. “Wir haben 24 000 Tauchgänge gebraucht, um die Funde zu bergen” , erzählt er. “Das Wrack lag auf 57 Metern — das ist sehr tief. Bei jedem Tauchgang kann man nur 20 Minuten unten bleiben, dann muss man beim Aufsteigen mindestens eine Stunde Dekompressionszeit abwarten.”

Das ist nötig, um der berüchtigten Taucherkrankheit vorzubeugen. Gasbläschen im Blut, die sich beim nachlassenden Druck ausdehnen, können zu Embolien, sogar zum Tod führen.

50 Mann Crew, davon 26 Taucher, 200 Kilometer entfernt von der nächsten Küste auf hoher See auf einem Schiff — das waren die Arbeitsbedingungen. Immer im Wechsel sechs Wochen Grabung, zwei Wochen Landgang. Außerdem waren noch einige schwerbewaffnete indonesische Sicherheitskräfte an Bord. Piraterie ist alltäglich in Indonesiens Gewässern. Zu den Gefahren des Tauchens kommt das Risiko von Überfällen.

“Privatleben hat man da keins” , sagt Dobberphul. “Man hockt ständig aufeinander, das geht nur, wenn das Team sich versteht. Auf dumme Gedanken kommt man sowieso nicht — der Tag beginnt morgens um sechs und endet abends um elf.” Und wie hält man das aus? “Das” , antwortet der Taucher feierlich, “ist eben mein Leben!”

Wracktauchen — das wird umso klarer, je näher man sich damit beschäftigt — ist eine komplizierte Angelegenheit, gerade in den Gewässern Indonesiens. Hier liegen die meisten Wracks der Erde, denn seit dem Altertum verlaufen hier die wichtigsten Seewege. Doch wie in vielen Ländern der Dritten Welt gibt es nicht genügend Mittel, um eine Fakultät für Unterwasserarchäologie zu unterhalten. Außerdem sind Schiffsbergungen technisch kompliziert und extrem teuer. Also wurden die Grabungen kommerziell geregelt: Private Unternehmer können Lizenzen beantragen und es wird erwartet, dass sie die Funde dann Gewinn bringend verkaufen. Denn vom Erlös erhält die Regierung 50 Prozent.

Inzwischen mehren sich allerdings in etlichen Ministerien Stimmen, die die wichtigsten archäologischen Kulturgüter gern im Land behalten würden. Doch dazu bedürfte es großer finanzieller Anstrengungen. Zum Beispiel sind die Museen überhaupt nicht darauf eingerichtet, ganze Schiffsladungen aufzunehmen, wissenschaftlich zu bearbeiten und auszustellen. Seit Jahren beklagt die Unesco, dass sich Indonesien — wie viele andere Länder auch — selbst wichtiger Zeugnisse seiner Geschichte beraube.

So ist eine Situation entstanden, die zwangsläufig Probleme hervorbringt. Denn es geht um Geld, ungeheuer viel Geld sogar. Die Frachten vom Grunde des Meers sind oft viele Millionen Euro wert. So entspinnen sich rund um die versunkenen Schiffe Konflikte von der Wucht antiker Dramen. Geschichten, in denen Gier, Habsucht und Verrat eine Rolle spielen.

Mehr zu dem Thema erfahren wir am Abend in einer Kneipe, einem Insidertreff in Jakarta. Das Ambiente ist skurril, denn das Lokal gehört einem Schweizer. Zu den Abenteuergeschichten essen wir Rösti und Bratwurst.

In den Gesprächen geht es beispielsweise um den bekannten australischen Schatztaucher Michael Hatcher. Er soll die Ladung des holländischen Schiffes “Geldermansen” durch Korruption an der Regierung vorbei außer Landes gebracht haben. Der Erlös floss angeblich in die Taschen einiger einflussreicher Privatleute aus den höchsten Kreisen Indonesiens. Die Versteigerung durch das Auktionshaus Christie´ s erbrachte 15 Millionen Dollar. Ähnlich soll Hatcher bei seinem zweiten Fund verfahren sein, einer chinesischen Dschunke. Die Funde wurden übrigens in Deutschland im Stuttgarter Hauptbahnhof ausgestellt und als Sensation bejubelt. Danach versteigerte das Auktionshaus Nagel den Fund und brüstete sich mit der “größten Porzellanauktion aller Zeiten” . Eine Geschichte, die auch klar die Rolle des internationalen Kunsthandels bei dem Geschäft beleuchtet.

Oft fällt am Tisch der Name Tilman Walterfang. Auch er soll — sagen Insider — seine Funde illegal außer Landes geschafft und die Regierung um ihren Anteil geprellt haben. Teile der Fracht des Tang-Schiffes, die von Singapur gekauft wurde, soll er sogar zerstört haben, weil sie nichts einbrachten.

Der Unesco sind solche Zustände ein Graus. Seit Jahren versucht sie, eine Konvention zum Schutz des Unterwasser-Kulturerbes durchzusetzen. Nur ausgebildete Archäologen, so fordert die Organisation, sollen die Schiffe bergen dürfen. Doch die meisten Länder — unter anderem auch Deutschland — haben noch nicht unterschrieben.

Und in der Realität ist die Konvention schwer umsetzbar — das erfahren wir auf der Insel Belitung, die wir besuchen. Sie liegt vor der Südspitze Sumatras, am Ausgang der Straße von Malakka. Dobberphul will uns zeigen, wo eine der wichtigsten Handelsrouten der Geschichte verlief. Hier hat er an zwei Bergungen teilgenommen.

Die Insel ist von betörender Schönheit, ein Tropenparadies. Blauer Himmel, Palmen, das Meer. Vor allem das Meer. Das Licht, die salzige Luft, die Schreie der Seevögel. Pfahlbauten, in denen die Fischer direkt am Wasser leben. Werften mit Holzschiffen, die noch so gebaut werden wie vor tausend Jahren. Mit einem kleinen Boot schippern wir zwischen den vorgelagerten Inselchen herum. Fast jedes Schiff, das nach China, Thailand oder zurück Richtung Arabien wollte, musste hier vorbei. Die Natur ist noch fast unberührt. Nichts stört die Stimmung, die vor tausend Jahren kaum anders gewesen sein dürfte. Es ist verständlich, dass man diesem Zauber rettungslos verfallen kann — wie Fred Dobberphul. Der war eigentlich auf nördlichere Gewässer eingeschworen. Als Ozeanograph und Wissenschaftstaucher arbeitete er jahrelang für die Uni seiner Heimatstadt Hamburg. Zuletzt folgte er für eine Naturschutzorganisation den Spuren von Walrossen in der Ostsee. Dann fragte ihn ein Bekannter, ob er nicht Lust habe, sich in Indonesien mit Wracks zu befassen. Er begann, mit Tilman Walterfangs Firma zu arbeiten. Doch nach einigen Monaten erwiesen sich die Vorstellungen der Partner als unvereinbar. Dobberphul verließ das Land, um bei Projekten des Archäologietauchers Frank Goddio mitzumachen.

Doch er konnte die Schönheit Indonesiens nicht vergessen. Nach etwa einem Jahr kehrte er zurück mit der Idee, eigene Investoren zu finden. Auf Belitung erwartete ihn ein Schock. “Einige Leute, die ich von der Insel kannte, darunter ein guter Freund, waren plötzlich einfach weg!” , erzählt er. “In meiner Abwesenheit sind hier von Belitung acht und auf der Nachbarinsel Bangka sieben Leute gestorben. Die sind zum Plündern an ein Wrack drangegangen, das einfach viel zu tief lag.”

Die Fischer entdecken die Fundstellen, weil Teile der Ladung in ihren Netzen hängen bleiben, berichtet der Hamburger weiter. Da die Schleppnetze immer tiefer reichen, ist kaum noch ein Wrack vor Entdeckung sicher.

Reiche Antiquitätenhändler aus Jakarta ermutigen die Inselbewohner zu plündern — für die geborgenen Teile erhalten sie Pfennigbeträge. Der mies bezahlte Job ist lebensgefährlich. Die Einheimischen haben keine geeignete Ausrüstung und verstehen nichts von der Sache. Deshalb werden sie Opfer der Taucherkrankheit. Es gibt inzwischen viele Familien, die ohne den Ernährer dastehen — weil Vater oder Bruder gehofft haben, durch ein paar rasche Tauchgänge Geld für ein neues Mofa zusammenzubekommen. Oder ein paar Rupien mehr für ihre vielen Kinder.

Quer über die Insel holpern wir im Geländewagen zu einem kleinen Dorf, wo Dobberphul uns etwas zeigen will. Ali, der Besitzer der örtlichen Eisfabrik zur Kühlung der Fische, begrüßt uns freundlich. Und präsentiert uns stolz sein Wohnzimmer. Es ist voll gestopft mit Keramik aus allen Epochen der Geschichte. “Das bringen mir die Fischer” , erzählt Ali. “Sie wissen, dass ich sammle, und ziehen hier alle paar Tage was raus.” — “So haben alle hier ihre Wracks gefunden” , sagt Fred Dobberphul. “Auch unser neues, das Cirebon-Wrack, hatten Fischer längst entdeckt.” So viel also zu der Idee, versunkene Schiffe auf dem Meeresgrund zu belassen, bis ausgebildete Archäologen sie bergen. In einem Land, das wie so viele andere weder Archäologen noch die Mittel dafür hat, wo Fischer aber regelmäßig die Wracks finden und beim Plündern ihr Leben verlieren, ein echtes Problem.

“Wir wissen das” , sagt eine Sprecherin der Unesco auf Nachfrage. “Aber wir können nicht mehr tun als unsere hohen Standards aufrechtzuerhalten. Und zu versuchen, bei der einheimischen Bevölkerung mehr Interesse für ihre eigene Geschichte zu wecken.” Dobberphul hat einige der Einheimischen ausgebildet und in Projekten beschäftigt. Natürlich können sie dann im Zweifelsfall auch besser plündern — aber wenigstens bleiben sie am Leben. Was ist der moralisch richtige Weg?

“Bei dem Cirebon-Projekt haben wir wirklich alle Lizenzen beantragt und bekommen” , versichert Fred Dobberphul auf der Rückfahrt. “Das ist nicht einfach — aber legale Projekte sind die einzige Chance.” Trotzig fügt er hinzu: “Ich lebe hier meinen Traum — den lass ich mir doch nicht kaputtmachen!” Doch leicht ist das nicht. Die Lage ist kompliziert, denn natürlich braucht der Hamburger Investoren und Partner. Da verfolgt dann jeder seine eigenen Interessen. Selbstverständlich müssen die einzigartigen Objekte des Schiffsfundes verkauft werden — möglichst gewinnbringend. Einige Investoren hätten eine Auktion bei Christie´ s bevorzugt — andere möchten wenigstens, dass die Fracht zusammenbleibt und an ein großes Museum geht. Und ganz gewiss gibt es jede Menge Konkurrenten im In- und Ausland, die auch gern einen schönen Fund an Land ziehen würden.

Wie schwierig alles wirklich ist, erfahren wir einige Wochen nach Ende der Dreharbeiten Ende Januar 2006. Fred Dobberphul ruft an: Sämtliche Funde, die wir im Lager gefilmt haben, sind polizeilich beschlagnahmt worden, er selber hat eine mehrtägige Hausdurchsuchung hinter sich.

Und am Donnerstag, kurz vor Redaktionsschluss dieses Magazins, die Eskalation. AFP meldet: Die indonesische Polizei hat einen Deutschen und einen Franzosen als Mitglieder einer illegalen Schatztaucher-Expedition festgenommen. Ihnen werde der großangelegte Diebstahl von archäologischen Schätzen aus Schiffswracks in der Javasee vorgeworfen. Das Team der Schatztaucher wies die Vorwürfe der indonesischen Behörden zurück. Die ganze Operation sei rechtmäßig gewesen. Jede Woche seien DVDs mit Bildern der geborgenen Gegenstände an die Behörden geschickt worden. Am Tag seiner Verhaftung hatte Dobberphul uns eine SMS gesandt: “Es scheint, die Korruption wird siegen. Ich muss mitansehen, wie sie meinen Traum zerstören.” Wracktauchen ist, wie man sieht, ein riskanter Beruf. Und das wahrhaftig nicht nur wegen der Quallen.